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Dialogisches Lernen und Franz von Assisi - Hat das etwas miteinander zu tun?

Wenn es darum geht, sich mit etwas Neuem auseinander zu setzen, bekannt zu machen - sich Neues anzueignen, geht das eigentlich nur auf einem selbst ausgewählten Weg. Dabei ist es wichtig, dass Intensität und Eigenständigkeit, nicht Schnelligkeit und Fehlerlosigkeit im Vordergrund des Lernprozesses stehen. Der Dialog mit der Sache, mit dem Gegenstand und der Dialog mit dem Gegenüber, mit der Lehrperson und den Mitschülerinnen bilden das Zentrum des Unterrichtsgeschehens.

Weil beim Dialogischen Lernen in der Lerngruppe eben das Würdigung erfährt, was jeder Einzelne aus  eigener Kraft geleistet hat, fällt es andererseits auch allen Beteiligten leichter, das zu würdigen und anzuerkennen, was der andere beigetragen hat. So erhält jeder „sicheren Boden“ unter den Füßen und wird nicht ausgeschlossen. Hierbei ist gerade das Unterschiedliche das Salz in der Suppe – oder wie Prof. Ruf, einer der Väter des Dialogischen Lernens, es nennt: „Der Austausch unter Ungleichen ist der Lebensnerv des Dialogischen Lernens.

Bei diesem Austausch ist in erster Linie die Kunst des Zuhörens gefragt. Dieses bildet den Kern, das Movens des Dialogischen Lernens.

Und hier sind wir ganz nah bei Franziskus. Das Hören, das Zuhören, das genaue Hinhören, ob auf die Stimme Gottes oder auf die Anliegen seiner Mitmenschen, kennzeichnen sein Leben.

Franziskus hatte sein Ohr immer bei denen, die seiner besonders bedurften und war gleichzeitig ebenso offen, was wiederum sie ihn lehren konnten. Er zeigte eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Schöpfung Gottes und gegenüber den Ärmsten und den Einsamsten.

Selbst in einer Situation, in der Gefahr für Leib und Leben bestand, verfällt Franziskus nicht in die uns allen bekannten Reaktionsmuster von Angriff und Verteidigung.


Während der Kreuzzüge, die viel Leid über die Gläubigen von Islam und Christenheit gebracht haben, wagt Franziskus sich über die Front hinweg zu Sultan Muhammad al-Kamil.

Die Kreuzritter hatten das Ziel, den Oberherrscher der islamischen Welt in Ägypten zu vernichten. Franziskus jedoch warnt im Nildelta vor jeder Gewalt im Namen Gottes. Im christlichen Lager wird er dafür verspottet.
 

Trotzdem oder gerade deswegen zeigt er Mut zur Begegnung und Bereitschaft zum Dialog. Der Wille zum Zuhören, der Respekt vor der Würde des Anderen und seiner Religion, der Austausch unter Ungleichen treiben Franziskus an, Neues zu erfahren und kennen zu lernen. Und siehe da, das Wunder geschieht: Der gemeinsame Austausch, das Darlegen der unterschiedlichen Erfahrungen und Gedankenwelten widerlegen Vorurteile. Der vertrauens- und respektvolle Dialog gelingt und überwindet geistige Mauern und Feindbilder.

Das offene Ohr für das Gegenüber – das Neugierig-Sein auf die Denkwelt des Anderen – der Respekt und die Liebe für die beteiligten Personen sind als Grundhaltung beim Dialogischen Lernen und bei Franziskus sehr gut zu erkennen.

 

Peter Pflaum-Borsi - 10/2021